H. Haker, J. Schimansky und W. Rössler
Soziophysiologie: Grundlegende Prozesse der Emphatiefähigkeit
Neuropsychiatrie 24(3):151–160
2010

abstract | The aim of this review is to describe sociophysiological and social cognitive processes that underlie the complex phenomenon of human empathy. Automatic reflexive processes such as physiological contagion and action mirroring are mediated by the mirror neuron system. They are a basis for further processing of social signals and a physiological link between two individuals. This link comprises simultaneous activation of shared motor representations. Shared representations lead implicitly via individual associations in the limbic and vegetative system to a shared affective state. These processes are called sociophysiology. Further controlled-reflective, self-referential processing of those social signals leads to explicit, conscious representations of others’ minds. Those higher-order processes are called social cognition. The interaction of physiological and cognitve social processes lets arise the phenomenon of human empathy. | Diese Übersicht beschreibt Prozesse, welche dem komplexen Phänomen der menschlichen Empathie zugrunde liegen. Automatische, reflexartige Prozesse wie physiologische Ansteckung und Handlungsspiegelung werden über das Spiegelneuronensystem vermittelt und stellen eine Grundlage für die Weiterverarbeitung sozialer Signale dar. Im sozialen Kontakt entsteht damit auf der körperlichen Ebene eine direkte Verbindung zweier Individuen. Diese Verbindung besteht auf der gleichzeitigen Aktivierung gemeinsamer motorischer Repräsentationen. Auf implizite Art werden die so geteilten Eindrücke durch individuelle Assoziationen im limbischen und vegetativen System zu einem affektiven Zustand. Die hier beschriebenen Prozesse werden Soziophysiologie genannt. Durch kontrolliert-reflektierende, selbst-referentielle, d.h. auf die persönliche Innenwelt gerichtete (Weiter-)Verarbeitung solcher sozialen Signale, entstehen schliesslich explizite Repräsentationen des Bewusstseins von Anderen. Diese höhergradigen Prozesse nennen wir soziale Kognition. Durch das Zusammenspiel der verschiedenen Prozesse entsteht das Phänomen der menschlichen Empathiefähigkeit. | [Full Text]